Die Hintergründe

Luftverschmutzung durch Verbrennung von Benzin-Öl-Gemisch

Krafträder mit Zweitaktmotoren, die mit Benzin-Öl-Gemisch fahren, stoßen sowohl im Leerlauf als auch bei der Fahrt wesentlich mehr un- oder teilverbrannte aromatische Kohlenwasserstoffe (u.a. das krebserregende Benzol) und organische Aerosole (Feinstaub) aus als Viertakter. Dies ergab eine im Jahr 2014 veröffentlichte Studie des Paul-Scherrer-Institutes, gemessen an 25 zweitaktigen Kleinkrafträdern modernerer Bauart (mit Katalysator):

  • Durchschnittlich 11 Mal so viele gesundheitsschädliche Kohlenwasserstoffe während der Fahrt und 124 Mal so viele im Leerlauf,
  • und durchschnittlich 53-771 Mal so viele sekundäre organische Aerosole. Diese entstehen durch Oxidation aus den Abgasen, insbesondere aus Aromaten.
  • Die primären organischen Aerosole liegen durchschnittlich 20 (maximal 2.780) Mal so hoch wie die Umgebungswerte; während der Fahrt sind die Werte höher als im Leerlauf.
  • Die Summe der primären und sekundären Feinstaub-Abgas-Emissionen der Zweitakter ist im Leerlauf vergleichbar mit denen im Lastbetrieb.
  • Besonders bedenklich ist der Ausstoß von Benzol im Leerlauf in einer 60.000fachen Konzentration des erlaubten Jahresmittelwerts von 5μg/m³.
  • Durch Alterung bzw. Oxidation der Abgase entstehen weitere reaktive und giftige Substanzen.

Die bläulich schimmernden Abgase beinhalten aromatische organische Verbindungen wie die krebserregenden Stoffe Benzol und Xylol, sowie die benzolähnlichen Stoffe Ethylbenzol und Toluol*, die als gesundheitsschädlich (und fortpflanzungsgefährdend*) eingestuft sind. Laut den Autoren der Studie kann das Warten hinter einem Zwei-Takt-Moped im Verkehr deshalb ein erhebliches Gesundheitsrisiko bedeuten.

Die Autoren sprechen auch von asymmetrischer Luftverschmutzung: eine eher kleine Nutzergruppe verursacht einen wesentlichen Beitrag an der Luftverschmutzung im urbanen Raum.

Organische Aerosole sind kleine Partikel, die in der Luft schweben. Sie machen einen grossen Teil des Feinstaubs aus dem Verkehr aus. Aromatische Kohlenwasserstoffe (kurz Aromaten) können hingegen, nachdem sie als gasförmige Stoffe emittiert werden, durch chemische Reaktionen in der Atmosphäre teilweise ebenfalls zu sogenannten sekundären organischen Aerosolen und somit zu Feinstaub umgewandelt werden. In der Tat machen solche sekundäre organische Aerosole den Großteil des Feinstaubs in der Atmosphäre aus. Einige Aromaten sind auch in ihrer ursprünglichen Form als Gas gesundheitsschädigend, so etwa Benzol, das dem Benzin beigemischt ist und krebserregend wirkt.

Die Studie zeigt, dass bei der Umwandlung der Abgase der Zwei-Takt-Mopeds auch andere bedenkliche Produkte entstehen. Durch chemische Analysen fanden die Wissenschaftler nämlich heraus, dass bei der Umwandlung der Aromaten aus dem Abgas der Mopeds in Aerosole ebenfalls schädliche reaktive Sauerstoffspezies gebildet werden, die in die Lunge gelangen können.

Zweitaktmotoren sind einfach aufgebaut und daher prinzipiell kostengünstig und langlebig (was angesichts des hohen Schadstoffausstoßes bedauerlich ist). Im Gegensatz zu Viertaktmotoren verfügen Zweitaktmotoren nicht über einen separaten Schmiermittel-Kreislauf, sondern das Schmiermittel (Öl) wird mit dem Treibstoff (Benzin) vermischt und mit diesem zusammen verbrannt. Üblicherweise werden Zweitakter mit Benzin-Öl-Gemisch betankt. Während Benzin-Öl-Gemische früher an Tankstellen in den verbreiteten Mischungsverhältnissen erhältlich waren, werden diese heute in der Regel von den Nutzern selbst hergestellt. Es gibt aber auch Zweitakter (z.B. Piaggio Ape), die Benzin und Öl vor der Verbrennung selbst mischen. Gemische mit einem zu hohen Öl-Anteil erhöhen den Schadstoffausstoß noch. Da sich eine bessere Schmierung positiv auf die Lebensdauer der Maschinen auswirkt, ist davon ausgehen, dass den Gemischen von den Nutzern tendenziell eher zu viel Öl beigegeben wird. Weitere Ursachen für die hohen Schadstoff-Emissionen von Zweitaktern liegen in der unvollständigen Verbrennung und dem hohen Treibstoff-Anteil am Luft-Treibstoff-Gemisch. Bauartbedingt treten solche Probleme bei Viertaktmotoren nur in geringem Maße oder gar nicht auf.

Auswirkungen auf die Gesundheit

Die gesundheitliche Relevanz des Feinstaubs wird nicht durch die Masse, sondern vor allem durch die Oberfläche der Partikel bestimmt. Partikel, die aus Verbrennungsprozessen stammen, sind relevanter als beispielsweise Bodenpartikel oder Reifenabrieb. Weitgehend ungeklärt ist noch, welche Bedeutung die verschiedenen Partikelkomponenten (anorganisch, organisch, löslich, unlöslich, flüchtig, nichtflüchtig) haben. Das Ausmaß der Auswirkung von Partikeln auf die Atemwege hängt neben der chemischen Zusammensetzung auch von der Größe der Partikel ab: Je kleiner ein Partikel ist, desto tiefer kann es in die Lunge eindringen.

Gesundheitliche Auswirkungen von Feinstaub sind die Verstärkung von Allergiesymptomen, die Zunahme von asthmatischen Anfällen, Atemwegsbeschwerden und Lungenkrebs sowie ein gesteigertes Risiko von Mittelohrentzündungen bei Kindern und Beeinträchtigungen des Nervensystems. Daneben werden auch Auswirkungen auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Herzinfarkt) angenommen. Feinstaub wird auch mit der Alzheimer-Krankheit in Verbindung gebracht.

Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2014 sollen in Deutschland jährlich im Schnitt rund 47.000 vorzeitige Todesfälle auf die zu hohe Feinstaubbelastung zurückzuführen sein, zum Beispiel durch akute Atemwegserkrankungen oder Lungenkrebs.

Krebs ist in Deutschland nach den Herz-Kreislauferkrankungen die zweithäufigste Todesursache. Der Großteil der Krebsarten, 90–95 % der Fälle, wird durch Umweltfaktoren ausgelöst. Untern den krebsauslösenden Chemikalien sind größere polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Benzol, Chrom(VI)-Verbindungen und Nitrosamine die wichtigsten. Chemikalien wie Benzol werden als potentielle Auslöser von Leukämie diskutiert.

Fahrzeugklassen und Regulierung

Bei den motorisierten Krafträdern (d.h. Zweiräder, Dreiräder und Quads) mit konventionellem Verbrennungsmotor unterscheidet man abhängig vom Hubraum:

Übersicht über Fahrzeugklassen und Regulierung:
Typ Max Hubraum Alter Fahrerlaubnis AUK
Kleinkraftrad/Mofa 25km/h <50 cm³ ab 15 Jahren Mofa-Prüfbescheinigung Keine
Kleinkraftrad 45km/h <50 cm³ ab 16 Jahren AM Keine
Leichtkraftrad 11kW 50-125 cm³ ab 16 Jahren 1b, A1 Alle 24 Monate*
*Keine AUK bei Erstzulassung vor dem 1. Januar 1989

Kleinkrafträder sind von der Zulassung befreit und tragen ein kleines farblich kodiertes Versicherungs-Kennzeichen mit 2×3 Ziffern und einjähriger Gültigkeit. Leichtkrafträder und Motorräder sind zulassungspflichtig und tragen ein Kfz-Kennzeichen (Nummernschild), für Laien ein einfaches Unterscheidungsmerkmal.

Krafträder werden mit 1,84 Euro je angefangene 25 cm³ Hubraum besteuert, aber Klein/Leichtkrafträder bis 11 kW Leistung und 125 cm³ Hubraum sind von der Besteuerung befreit. Das Mindestalter zum Führen eines Klein/Leichtkraftrads beträgt 16 Jahre. Mofas sind auf maximal 25 km/h beschränkte Kleinkrafträder, die schon ab 15 Jahren gefahren werden dürfen.

Beim Parken gelten die allgemein gültigen Regeln: das Parken auf Radwegen und -streifen ist verboten; auf Gehwegen ist das Parken verboten, solange es nicht durch Schilder und/oder Markierungen explizit erlaubt wird. Die Stadt Stuttgart duldet das Parken von Krafträdern auf Gehwegen, sofern keine größeren Behinderungen einhergehen.

Seit dem 1. April 2006 gilt für kennzeichnungspflichtige Krafträder die Abgas-Untersuchung-Krafträder (AUK), so dass Krafträder im Rahmen der alle 24 Monate durchzuführenden Hauptuntersuchung einer Abgasuntersuchung unterzogen werden müssen. Diese Regelung gilt nicht für:
– Krafträder, die erstmals vor dem 1. Januar 1989 zugelassen wurden,
– Kleinkrafträder mit weniger als 50 cm³ Hubraum.

Das Entfallen der AUK für Kleinkrafträder wie für alte Krafträder ist sehr bedenklich, denn durch schlechte Wartung oder gar Manipulationen ist mit noch höheren Schadstoff-Emissionen zu rechnen.

Die Einführung schärferer Abgasnormen, Euro 3 (2006) bei Leichtkrafträdern und Euro 4 (2017) bei Kleinkrafträdern, führte dazu, dass bis auf Ausnahmen keine Krafträder mit Zweitaktmotor mehr neu auf den Markt kommen. Diese Abgasnormen sind für Zweiräder mit Benzin-Öl-Mischung wirtschaftlich kaum zu erreichen. Eine uns bekannte Ausnahme ist das Piaggio Ape Lastendreirad, das trotz Zweitaktmotor die Euro 4 Norm erfüllt. Für Bestandsfahrzeuge ist mangels Alternativen davon auszugehen, dass die überwiegende Mehrzahl der erstmals vor dem 1. Jan. 2007 zugelassenen Leichtkrafträder und der erstmals vor dem 1. Jan. 2018 neu erworbenen Kleinkrafträder mit Zweitaktmotoren angetrieben werden.

Früheste für zweitaktige Zweiräder unerreichbare Abgasnormen:
Typ Leichtkraftrad Kleinkraftrad
Früheste unerreichbare Euro-Norm Euro 3 Euro 4
Einführungszeitpunkt neue Typen (Typgenehmigung) 1.    Jan. 2006 1.    Jan. 2017
Einführungszeitpunkt Neufahrzeuge (Erstzulassung) 1.    Jan. 2007 1.    Jan. 2018

Im Vergleich zu den PKW Abgasnormen sind die Abgasnormen für Krafträder generell stark abgeschwächt. So gab es zum Beispiel zum 1. Jan 2018 im Gegensatz zu PKWs für benzingetriebene Krafträder (Euro 4) weder eine Regulierung der Abgas-Partikelmasse noch der Partikelanzahl.

Zum 1. Jan. 2021 wird die Euro 5 Abgasnorm für neue Krafträder eingeführt, die zu einer Angleichung der Grenzwerte zwischen Kleinkrafträdern, Leichtkrafträdern und Motorrädern führen wird. Mit Euro 5 wird für Krafträder eine Begrenzung der Abgas-Partikelmase eingeführt werden, aber im Gegensatz zu PKWs wird es immer noch keine Begrenzung der Partikelanzahl geben.

Mit anderen Worten: auch frisch ausgepackte Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor bieten keine wirklich emissionsarme Alternative.

Bemerkung: die Regelungen sind aufgrund vieler Ausnahmen und Sonderfälle nicht einfach zu durchschauen; hier wird nur ein grober Überblick gegeben. Als Beispiel einer solchen Ausnahmeregel sei die bis 60 km/h zugelassene Simson Schwalbe erwähnt, die aufgrund der Gesetzgebung in der DDR heute noch als Kleinkraftrad geführt wird und deren Popularität auch von der höheren zugelassenen Geschwindigkeit herrührt.

Politische Entwicklungen

In einigen asiatischen Großstädten hat man die dominante Rolle der Zweitakter an der Luftverschmutzung erkannt und diese aus den innenstädtischen Bereichen verbannt. Zum Beispiel sank in der chinesischen Millionenstadt Guangzhou (im dicht besiedelten Pearl River Delta bei Hongkong gelegen) die Schadstoffbelastung (Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylol) von 290 μg/m³ im Jahre 2000 auf 37 μg/m³ nach der Verbannung der Zweitakter im Jahre 2005.

Das Umweltbundesamt diskutiert die Ausweitung der Umweltzonen („Blaue Plakette“) über die Anwendung auf PKW hinaus auch für Baumaschinen, Holzfeuerungen und Binnenschiffe. Die Zweitakter bleiben aber unerwähnt. Im Deutschen Bundestag gab es bisher drei erfolglose Petitionen, die Zeitakter auf deutschen Straßen zu verbieten. Laut eines Artikels des Handelsblatts (2018) hatten Die Grünen schon 2010 vorgeschlagen, ab 2015 nur noch E-Roller zuzulassen und 2020 Zweitakter einzuziehen. Der Vorschlag blieb aber erfolglos und heute gibt es in Deutschland rund 850.000 klassische Roller im Segment bis zu 125 cm³ Hubraum, im Vergleich zu 15.000 E-Rollern. Der Autor des Artikels plädiert daher für eine höhere Besteuerung, ein Verbot des Neuverkaufs sowie eine Prämie für den Umstieg auf elektrische Antriebe. Der Ansatz, Kaufanreize für elektrische Antriebe durch höhere Steuern für Verbrenner  querzufinanzieren, scheint uns sehr vielversprechend.

Europäische Wirkungsstudien beziehen sich in der Regel auf das Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA). Dort findet man auch ein Online-Tool zur Ausgabe der Emissionsfaktoren aufgegliedert nach Vehikeltyp und Jahr. Eine Tabelle der für motorisierte Krafträder (KR/MR) im Jahr 2015 für Deutschland angenommenen Emissionsfaktoren ist hier beispielhaft gezeigt (HBEFA Version 3.3, Stand Oktober 2018). Man erkennt, dass Feinstaubemissionen (PM) von motorisierten Krafträdern vom HBEFA vor Einführung von Version 4.1 im August 2019 komplett ignoriert wurden, obwohl in wissenschaftlichen Studien für die Zweitakter sehr hohe primäre und sekundäre (d.h. aus ausgestoßenen Kohlenwasserstoffen durch Oxidation entstandene) Feinstaubemissionen gemessen wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass in den Wirkungsstudien europäischer Kommunen vor August 2019 die Feinstaub-Emissionen der Zweitakter völlig unterschätzt bzw. völlig ignoriert wurden. Das erinnert uns an das alte Sprichwort: „Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.“

HBEFA Emissionsfaktoren für Kraft- und Motorräder (Version 3.3, Stand Oktober 2018):

Land Jahr Fahrzeugkategorie Schadstoff Kraftstoff Emissionsfaktor Einheit
D 2015 KR/MR CO Benzin 8.257 [g/FzKm]
D 2015 KR/MR CO2 Benzin 96.026 [g/FzKm]
D 2015 KR/MR HC Benzin 1.367 [g/FzKm]
D 2015 KR/MR NOx Benzin 0.196 [g/FzKm]
D 2015 KR/MR PM Benzin 0 [g/FzKm]

Stand Juli 2020: ruft man das HBEFA Online-Tool im Juli 2020 auf, findet man andere Werte für Krafträder für das Jahr 2015 als die in der obigen Tabelle vom Oktober 2018. Die Online-Tabelle basiert jetzt auf HBEFA 4.1 datiert vom August 2019. Laut HBEFA liegt der Fokus der Neuerungen auf alternativen Antrieben, neben einer generellen Aktualisierung fast aller Inputs. Der PM Wert für KR/MR liegt jetzt bei 0,079 g/FzKm für 2015 und bei 0,074 g/FzKm für 2020.

Eine Wirkungsstudie zu den Emissionen für die Stadt Stuttgart wurde im Rahmen des Luftreinhalteplans im Jahr 2017 veröffentlicht. Eine Dokumentation der Ergebnisse findet man in Anlage 1 der Wirkungsstudie, weitere Details findet man hier. Die Studie basiert auf den Emissionsfaktoren der HBEFA Version 3.2. Die Zweitakter finden in der Wirkungsstudie für die Stadt Stuttgart keinerlei Erwähnung.

Wirkungsgutachten für Stuttgart vom 01. Feb. 2017: die Feinstaub-Abgas-Emissionen von Krafträdern werden komplett ignoriert. Die Studie als „Gesamt-Wirkungsgutachten“ zu bezeichnen ist daher unseriös.

In Deutschland ist Tübingen die erste Stadt, die seit September 2016 Abwrack-Prämien für Kleinkrafträder anbietet: bis zu 500 Euro Unterstützung beim Kauf eines Elektro-Zweirads. Die alten Fahrzeuge werden verschrottet. Im ersten Jahr stand ein Budget von 25.000 Euro zur Verfügung, wovon 14.400 Euro ausbezahlt wurden. So verschwanden 31 zweitaktige Kleinkrafträder von Tübinger Straßen.

In Stuttgart wurde im März 2019 erstmals ein Budget von 40.000 Euro für eine ähnliche Umweltprämie zur Verfügung gestellt. Bei Kauf oder Leasing eines neuen E-Zweirades gibt es eine Prämie von bis zu 300 Euro für versicherungsfreie Pedelecs und von bis zu 600 Euro für versicherungspflichtige E-Bikes oder E-Roller. Voraussetzung ist die Verschrottung eines Zweitakters bis zu einem Hubraum von 200 cm³. Die Förderrichtlinie der Stadt Stuttgart findet man hier.

Weitere Städte wie Reutlingen, Frankfurt oder Offenbach haben ähnliche Programme angekündigt oder in Erwägung gezogen.

Für Stuttgart fordert der VCD Kreisverband Stuttgart darüberhinaus ein kurzfristig umsetzbares Fahrverbot für alte Zweitakter, die mit Benzin-Öl-Mischung fahren, sowie eine generelle Angleichung der Abgas- und Lärmemissionen von Krafträdern an die der PKW. Zitat: Motorisierte Zweiräder sind nicht mehr die „Fortbewegungsmittel der Kleinen Leute“, sondern sie sind überwiegend Freizeit-­ und Lifestyleprodukte. Alte Pri­vilegien gehören daher vollkommen abgeschafft.

Andere Städte wie München gehen alternative Wege und offerieren statt Abwrack-Prämien generelle Kaufanreize für elektrogetriebene Zweiräder. Tübingen kombiniert sogar beide Prämien beim Kauf eines E-Scooters über die Stadtwerke Tübingen.

Strategien zur Luftreinhaltung, die die Gesamtheit der Verursacher von Emissionen wie Straßen, Schiffs- und Schienenverkehr, Baumaschinen etc. beinhalten wurden 2017 vom BUND Landesverband Baden-Württemberg vorgestellt. Neben vielen anderen Maßnahmen werden dort auch Abwrackprämien für zweitaktige Krafträder und ein Umstieg auf elektrisch betriebene Arbeits- und Gartengeräte gefordert.

Berechnung der Feinstaub-Abgas-Emissionen durch Zweitakter

Unsere Berechnungen für das Stadtgebiet Stuttgart haben ergeben, dass 10% der Feinstaub-Gesamtemissionen Straßenverkehr aus Zweitakter-Abgasen stammen und dass sich die Feinstaub-Grenzwert-Überschreitungstage Jan.-Sept. 2018 durch einen Umstieg auf elektrisch angetriebene Krafträder von 16 auf 12 (-25%) reduzieren würden.

Es ist plausibel , in Stuttgart von 16.000 Zweitaktern auszugehen:

  • In ganz Deutschland gibt es etwa 2 Millionen zulassungsfreie Kleinkrafträder bei 4 Millionen zugelassenen Krafträdern mit mehr als 50 cm³ Hubraum (www.kba.de); das ergibt für das Bundesgebiet also ein mittleres Verhältnis von etwa 0,5.
  • Die zulassungsfreien Kleinkrafträder sind überwiegend zweitaktig, aber auch unter den zugelassenen Krafträdern gibt es Zweitakter, wie die besser motorisierten Motorroller.
  • In Stuttgart waren 2017 über 24.000 Krafträder mit mehr als 50 cm³ Hubraum gemeldet. (Übrigens entspricht das einer Steigerung um den Faktor 19,2 seit 1970; bei PKW war der Faktor „nur“ 1,76.)

Nimmt man an, dass von den Zweitaktern jeder Dritte im Tagesmittel 5 km im Stadtverkehr zurücklegt und dass pro Zweitakter so viel Feinstaub ausgestoßen wird wie von 73-791 modernen PKW (20 mal so viel primäre und 53-771 mal so viele sekundäre Feinstaub-Emissionen), so kommt man auf ein Äquivalent von 1,95-21,1 Mio km/Tag, die man mit der gleichen Feinstaub-Belastung mit modernen PKW zurücklegen könnte. Das entspricht etwa 25-270% der mit PKW im Stuttgarter Stadtgebiet im Mittel zurückgelegten 7.8 Mio km/Tag (gemäß Wirkungsgutachten 2017), die für 10 t/a an PM10 aus Abgas-Emissionen verantwortlich sind, wenn man eine moderne PKW Flotte wie im Jahr 2020 voraussetzt. Dies ergibt 2.5-27 t/a (Mittelwert 15 t/a) an PM10 aus Zweitakter-Abgasen, der zu den 132 t/a an PM10 Gesamtemissionen Straßenverkehr für das Stadtgebiet Stuttgart in 2018 zu addieren ist. Ein Austausch der Zweitakter durch elektrisch angetriebene Krafträder reduziert daher die PM10 Gesamtemissionen Straßenverkehr für das Stadtgebiet Stuttgart um 2-17% (Mittelwert 10%). Die Anzahl der Tage mit PM10 Grenzwert-Überschreitung (gravimetrisches Messverfahren) würde sich dadurch im Mittel reduzieren:

  • Für 2017: von 41 auf 34 (-17%); Intervall zw. 28 (-32%) und 39 (-5%) Tage.
  • Für Jan. bis Sept. 2018: von 16 auf 12 (-25%); Intervall zw. 10 (-38%) und 15 (-6%) Tage.

Die Abschätzung der Abgas-Emissionen der Zweitakter unterliegt vielen unbekannten Faktoren, insb. ist die Anzahl der zulassungsfreien Kleinkrafträder pro Kommune unbekannt und kann nur grob geschätzt werden. Laut Kraftfahrtbundesamt liegt der Gesamtbestand an zugelassenen Leicht/Motorrädern etwa 2x so hoch wie der Gesamtbestand an Kleinkrafträdern. In urbanen Zentren dürfte dieser Faktor wegen kürzerer Strecken und geringerer Geschwindigkeiten kleiner als 2x sein. Gleiches gilt für die Häufigkeit der Kleinkrafträder z.B. im Stuttgarter Talkessel relativ zum Stuttgarter Stadtgebiet. Die realen Abgas-Emissionen der Zweitakter können also sogar noch über den von uns berechneten Werten liegen, auch weil mit 608 km/a pro Zweitakter eine vergleichsweise geringe Fahrleistung zu Grunde gelegt wurde.

Die Feinstaub-Grenzwerte

Die in der EU gültigen Feinstaub-Grenzwerte liegen teilweise erheblich über den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgesetzten Grenzwerten, sowohl beim maximal zulässigen Jahresmittelwert als auch bei der Anzahl der Grenzwert-Überschreitungstage.

PM10 Feinstaub-Grenzwerte:

PM10 Grenzwert Max. Jahresmittel Max. Tagesmittel Max. Überschreitungstage
WHO 20 μg/m³ 50 μg/m³ Keine
EU 40 μg/m³ 50 μg/m³ 35

Entscheidungen, die Feinstaub-Grenzwerte innerhalb der EU auf das WHO Niveau zu senken, wurden bislang hinausgezögert. Eine Verschärfung der EU Feinstaub-Grenzwerte würde wohl dazu führen, dass die Kommunen verstärkt Maßnahmen zur Reduktion der Feinstaub-Belastung umsetzen müssten. So lag in im Jahr 2017 der PM10-Jahresmittelwert in Stuttgart an vier von fünf Messstellen über dem WHO Grenzwert von 20 μg/m³. Aktuell liegt der Schwerpunkt der Kommunen primär auf der Reduktion der Stickoxid-Belastung, wobei die EU Grenzwerte denen der WHO entsprechen.

Gedanken zur Nachhaltigkeit

Auf den ersten Blick sind die Zweitakter ein Verkehrmittel mit vergleichsweise guter Ökobilanz, zumindest wenn man beim eher hohen Kraftstoff-Verbrauch ein Auge zudrückt: aufgrund der einfachen Konstruktion bleibt die Menge eingesetzter Resourcen überschaubar und die Technik ist sehr langlebig.

Bei holistischer Betrachtung kippt die Ökobilanz der Zweitakter aber schnell in den roten Bereich:

  • Führt der hohe Feinstaub-Ausstoß eines Zweitakters zum Abwracken eines jungen Diesel-PKW, dann ist der Verlust an Material/Energie um ein Vielfaches höher als der zur Herstellung des Zweitakters benötigte Ressourceneinsatz.
  • Negative gesundheitliche Auswirkungen der hohen Abgas-Emissionen der Zweitakter sind auch in die Ökobilanz einzurechnen.
  • Kurzstrecken lassen sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad ressourcenschonender zurücklegen.
  • Der Kraftstoff-Verbrauch eines Zweitakters liegt in der Regel bei 3-4 Liter Superbenzin auf 100 km, also vergleichbar mit dem Verbrauch eines modernen Kleinwagens. Beim Zweitakter muss dem Benzin noch teures Motoröl zugesetzt werden.

Weitere Anwendungen von Zweitaktmotoren

Zweitaktmotoren finden Anwendung auch in:
– Arbeits- und Gartengeräten wie Rasenmähern, Laubbläsern, etc.,
– Modellbau-Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor,
– Kleinen Bootsmotoren wie Jetski etc.
In vielen Fällen stehen elektrische Alternativen zur Verfügung. Die Deutsche Umwelthilfe hat auf die Gesundheitsgefährdung durch Abgase von Gartengeräten mit Verbrennungsmotor hingewiesen. Für den Einsatz in Land- und Forstwirtschaft sowie Gartenbau wird speziell abgestimmtes vorgemischtes Zweitaktgemisch auf der Basis von Alkylatbenzin verwendet. Alkylatbenzin ist in Baumärkten erhältlich und verursacht durch seine Zusammensetzung weniger gesundheitsschädliche Abgase als normales Tankstellenbenzin mit Zweitaktöl.